Innovative Strategien für eine nachhaltige, faire Nutzung von Bioressourcen in Kolumbien

Die Menschen in Kolumbien haben einen langen Bürgerkrieg erlebt und die Gesellschaft definiert sich in vielen Lebens- und Handelsbereichen neu. Großes Entwicklungspotential bieten die reichen Bioressourcen des Landes. Das deutsch-kolumbianische Verbundprojekt ColombiaCONNECT fördert als Netzwerk eine faire und nachhaltige Nutzung verschiedener Bioressourcen durch die lokale Bevölkerung.

Ananasfeld in den Anden

Dieses Ananasfeld in den Anden gehört zu einem der Best-Practice-Projekte von ColombiaCONNECT

Yesica García

Die kolumbianische Gesellschaft ist geprägt von den Auswirkungen des viele Jahre andauernden Bürgerkriegs. Vielfach fehlt es an Perspektiven, gerade für benachteiligte Gruppen. Viele Menschen ziehen deshalb vom Land in die Städte. Kolumbien ist nach Brasilien der Staat mit den zweitmeisten Einwohnern in Südamerika und diese sind bereits jetzt sehr stark in den Städten konzentriert.

In den letzten Jahrzehnten haben nicht nur extreme Regen- oder Trockenzeiten, sondern vor allem auch das dynamische Wirtschaftswachstum und militärische Konflikte, große Umweltschäden in Kolumbien verursacht. Dennoch ist Kolumbien weiterhin eines der artenreichsten Länder der Erde und verfügt über vielfältige Bioressourcen.

ColombiaCONNECT baut als Netzwerk Strukturen auf, die dabei helfen sollen, Kolumbiens Schätze nachhaltig und fair zu nutzen. Es integriert die Bereiche Bioökonomie und nachhaltige Landwirtschaft, Biodiversitäts- und Klimafolgenforschung sowie Friedens- und Konfliktforschung.

Best-Practice-Projekte anstoßen und begleiten

Im Rahmen von ColombiaCONNECT werden vier fachgebietsübergreifende Best-Practice-Projekte durchgeführt, drei in Kolumbien, eines in Deutschland. Die Demonstrationsprojekte in Kolumbien beziehen jeweils die lokale Bevölkerung ein. Es geht darum, benachteiligten Gruppen – zum Beispiel indigenen und afro-kolumbianischen Personen – neue Einkommensquellen zugänglich zu machen und sie bei der Weiterentwicklung der Projekte zu unterstützen.

Im ersten Projekt werden nachhaltige Aquakulturen in traditionellen Fischerdörfern an der Karibikküste aufgebaut. Die Zielgruppe sind Frauen, die so ein eigenes Einkommen aufbauen können. Als Fischfutter werden die Larven der Schwarzen Soldatenfliege verwendet. Die Larven werden in Essensresten und pflanzlichen Abfällen gezüchtet. So entsteht eine lokale Kreislaufwirtschaft.

Fischerdorf an Atlantikküste

Traditionelles Fischerdorf am Golf von Uraba. In diesem Dorf wird eine lokale Genossenschaft von Frauen darin unterstützt, eine nachhaltige Aquakultur aufzubauen.

Thomas Wilke

Im zweiten Projekt geht es um den Anbau von alternativen Feldfrüchten in Zentralkolumbien in den Anden. Sie sollen als neue Einkommensquelle dienen für ehemalige Kokabauern aus indigenen Bevölkerungsgruppen. Die Früchte werden in Mischkultur angebaut. Interessant sind beispielsweise Ananas und Passionsfrüchte wie Maracuja oder die in Europa noch weniger bekannte Grenadilla, die sich auch für den Export eignen. Die Vermarktung der Produkte wird unterstützt und wissenschaftlich begleitet: So werden zum Beispiel CO2-Emissionen beim Transport erfasst und optimiert.

Ein Regenwaldgebiet nahe der Pazifikküste soll im dritten Projekt für den Ökotourismus erschlossen werden. Ehemalige Jäger, die dort ansässig sind, werden dafür zu Guides ausgebildet. Außerdem soll das Wissen der Einheimischen in diesem Gebiet beispielsweise über Heilpflanzen im Sinne von Bürgerwissenschaft gesammelt, erhalten und zugänglich gemacht werden. Geplant ist auch, einzelne Bereiche des Regenwaldes mit 360-Grad-Kameras aufzunehmen und so Interessierten aus aller Welt interaktive 3D-Rundgänge durch den Regenwald zu ermöglichen: barrierefrei und ohne weite Anreise.

Das vierte Projekt ist eine nachhaltige Garnelenfarm in Gießen. Dort wird unter anderem erforscht, wie die Garnelen ernährt und gehalten werden können, so dass Krankheiten möglichst gar nicht erst auftreten. Indem die Larven der tropischen Schwarzen Soldatenfliege als Futter eingesetzt werden, vermeiden die Forschenden einen möglichen Eintrag von Krankheitserregern über das sonst meist verwendete Fischmehl. Die Anlage dient als Modell für Garnelenfarmen, die in Ländern wie Kolumbien betrieben werden können. Ergebnisse dieses Projekts nützen auch dem ersten Projekt, dem Aufbau von Aquakulturen in Fischerdörfern an der Karibikküste.  

Erfahrungs- und Wissenstransfer in alle Richtungen

Im Rahmen von ColombiaCONNECT werden regelmäßig fachgebietsübergreifende Workshops durchgeführt, um Wissen und Erfahrungen auszutauschen. Zu einigen sollen auch interessierte Investoren aus Kolumbien und aus Deutschland eingeladen werden, damit sie die Best-Practice-Projekte kennenlernen und in unterschiedliche Richtungen weiterentwickeln können.

Die Projektpartnerinnen und -partner werden ihre Ergebnisse abschließend gemeinsam veröffentlichen, so dass sie sowohl interessierten Unternehmen als auch Politik und Wissenschaft als Grundlage für die Planung zukünftiger (Kooperations-)Projekte in Kolumbien dienen können.

Innerhalb von ColombiaCONNECT wird großen Wert daraufgelegt, dass nicht nur Top-down, sondern auch Bottom-up gedacht wird. Deshalb werden die Menschen vor Ort über eine intensive und vielfältige Öffentlichkeitsarbeit einbezogen.

Eine Crowd-Plattform aufbauen

Die lokale Bevölkerung wird über eine eigens entwickelte Kombination aus einer Crowd-Plattform und einer App einbezogen. Die Menschen können sich mit dieser Kombination untereinander und mit den Forschenden vernetzen und kollaborativ Wissen sammeln, sichern und allen zugänglich machen.

Die Crowd-Plattform für ColombiaCONNECT basiert auf einem Geografischen Informationssystem (GIS) und verknüpft dieses mit Datenbankelementen, so dass Informationen ortsbezogen gespeichert und verarbeitet werden können. Über die zugehörige App können alle Beteiligten auf die gespeicherten Informationen zugreifen und selbst vor Ort Informationen sammeln, Fotos machen und hochladen und über Video kommunizieren.
Dort, wo die lokale Bevölkerung noch keine Geräte besitzt, um auf die Plattform zugreifen zu können, werden Tablets zur Verfügung gestellt. Wichtig ist, dass ein Teil der Funktionen von App und Plattform auch offline genutzt werden kann, da das Mobilfunknetz in Kolumbien Lücken hat.

Auf diese Weise soll der Verlust von traditionellem Wissen vor allem der Indigenen verhindert werden: Über die Crowd-Plattform können sie beispielsweise Fotos von Heilpflanzen zeigen und ihr Wissen über die Pflanzen teilen und weitergeben. Auch Raubbau könnte so dokumentiert werden. Damit alle Beteiligten mit ihren Beiträgen geschützt sind, wird die Plattform kuratiert und Informationen gegebenenfalls anonymisiert.